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Ein kurzer Abriss aus der wissenschaftlichen Forschungsgeschichte
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Das bahnbrechende Werk in der Geschichte der Gleichnisauslegung wurde durch Adolf Jülicher vorgelegt.
Ausgehend von der Rhetorik des Aristoteles (II,20) und des hebräischen Begriffs
(maschal) unterscheidet er die
Gleichnisse Jesu nach: Gleichnis im engeren Sinne (Gleichnis i. e. S.), Gleichniserzählung/Parabel,
Beispielerzählung (insgesamt nur viermal im Neuen Testament vorhanden, im Lukasevangelium) und Allegorie.
Die Allegorie lehnt er für Jesus aufgrund seines Jesusbildes, dass er ein einfacher Mann vom Lande war, ab.
Die allegorische Deutung müsse deshalb verworfen werden, obwohl sie in den Evangelien vorkommt, vgl. z. B.
Markus 4, 1-20 und die Paralleltexte bei Matthäus und Lukas. Die Evangelisten hätten eben schon geirrt, so
Jülicher.
Bei der Gleichnisauslegung muss nach Jülicher zwischen "Bild" und "Sache" unterschieden werden, welche in der
Pointe des Vergleichs zusammenlaufen (auch tertium comparationis genannt); diese Ansicht vertritt gegenwärtig
kein Theologe mehr (s. u.).
Anknüpfend an Jülichers Einteilungskriterien der Gleichnisse entwarf Rudolf Bultmann seine "Formgesetze".
Die historische Einordnung der Gleichnisse Jesu waren Charles Harold Dodd (Schlagwort: realized eschatology)
und Joachim Jeremias (Schlagwort: ipsissima vox, d. h. die ursprünglichen Worte Jesu) wichtig. Auf der Suche
nach der ursprünglichen Form der Gleichnisse formulierte Jeremias zehn Umformungsgesetze.
Mitte der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts, knüpfte die Theologie an andere (Fach-)Bereiche an; dadurch
wurde die Auslegung um ein erhebliches erweitert. Durch die Literaturwissenschaft wurde die Metapher
("Gleichnisse als erweiterte Metaphern") und die Allegorie (durch Hans Josef Klauck) aufgewertet. Wichtige Vertreter:
Eberhard Jüngel, Hans Weder, Wolfgang Harnisch und Paul Ricoeur. Eine aktuelle Arbeit von Hans Josef Meurer
knüpft an Paul Ricoeurs Ansätzen an. Eta Linnemann und Dan Otto Via sahen die Gleichnisse als "Sprachereignis"
an, wobei vor allem bei Linnemann der Redeanlass und Redesituation (Wer hörte zu? Wen und was wollte Jesus
erreichen?) berücksichtigt werden müssen (s. u. Kommunikationsgeschehen). Via bezeichnete die Gleichnisse
zudem als "ästhetisch autonome Kunstwerke". Dadurch ergab sich, dass jede Engführung der Gleichnisauslegung,
erst recht auf das alte tertium comparationis, obsolet wurde und Bild- und Sachhälfte wieder in ihrer Ganzheit
für die Gleichnisauslegung interessant wurden (weitere Ergebnisse s. u.).
Schon hier zeigt sich, was auch in der neueren Exegese herausgearbeitet wurde, dass die bis vor etwa 30
Jahren vorherrschende Gleichnistheorie der Jülicherschule mit ihrem allzu schematischen Beharren auf nur
einem Tertium Comparationis (wörtlich: das Dritte des Vergleichs) ungeeignet ist, die weit vielschichtigere
Redeform der Gleichnisse Jesu zu erklären. Jüngel sprach vom Primum Comparationis (wörtlich: das Erste des
Vergleichs) und sah im Gleichnis nicht nur einen Gedanken ausgedrückt, sondern eine ganze Gruppe von
"Einzelzügen", die auf eine "Pointe" ausgerichtet seien. Via endlich befreite die Interpretation von allen
Fesseln, indem er die Gleichnisse als eine Art offener Kunstwerke (s. o.) bezeichnete, die über alle Zeit
und Ortsgrenzen hinweg nicht nur potentiell, sondern faktisch, die Existenz von Menschen verändern. Schon
seit Jüngel wird davon ausgegangen, dass die Gleichnisse Jesu im Neuen Testament, das Reich Gottes nicht
nur abbilden, sondern transportieren.
Einen ganz anderen Versuch, die Gleichnisse Jesu für die heutige Zeit in Bedeutung und Sinn verständlicher
zu machen, bietet Helmut Thielicke.
Orientierend an der Fabel formulierte Wolfgang Harnisch die Gleichnisse als "Bühnenstück", d. h. ein Gleichnis
besitzt drei Szenen und der Schwerpunkt liegt in der letzten. Francois Vouga knüpft bei seiner
Gleichnisauslegung u. a. an die Fabeln Äsops an. In eine ähnliche Richtung geht Georg Eichholz, welcher die
Gleichnisse mit einem Spiel vergleicht. Einen rezeptionsästhetischen Ansatz bietet Dieter Massa.
Für didaktische Ansätze stehen Erhardt Güttgemanns und sein Schüler Reinhard Breymayer, Ingo Baldermann und
Peter Müller. Eckhard Rau und Edmund Arens sahen die Gleichnisse vorwiegend als Kommunikationsgeschehen
zwischen Situation, Autor und Adressat an. Dieser Prozess zielt auf eine Verhaltensveränderung beim Zuhörer ab.
Unter religionsgeschichtlicher Perspektive untersuchen Paul Fiebig, Christian A. Bugge, Peter Dschulnigg,
Hans Josef Klauck, David Flusser und Klaus Berger die Gleichnisse. Dadurch wird gezeigt, dass 1. Jesus an
rabbinische Traditionen anknüpft und 2. die Gattung Gleichnis auch außerhalb Palästinas existierte (Hellenismus).
Es gibt ebenso jüdische Theologen, welche Vergleiche/Unterschiede zwischen den rabbinischen und neutestamentlichen
Gleichnissen untersuchen.
Zudem befinden sich viele Gleichnisse der Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas (mit Nuancen) in den
sogenannten Nag-Hammadi-Schriften - besonders im Thomasevangelium. Es gilt als gesichert, dass Matthäus und
Lukas einen Teil ihrer Gleichnisse aus der Logienquelle Q beziehen. Das Johannesevangelium kennt - trotz
seiner bildreichen Sprache - Gleichnisse in der Form, wie sie bei den anderen drei Evangelisten vorkommen,
nicht; auch nach den Einteilungskriterien lassen sich keine finden. Einige Wissenschaftler wie Schweitzer
sehen in den "Ich-bin-Worten" eine Art von Gleichnis oder übersetzen die (vgl. z. B. Joh 10,6)
mit Gleichnis. Einen neueren eigenständigen Ansatz verfolgt Ruben Zimmermann, der auch im Johannesevangelium
Parabeln gegeben sieht.
Die Einteilungskriterien
In der deutschsprachigen Exegese wurde meist zwischen Gleichnis im engeren Sinne, Parabel und Beispielerzählung
unterschieden. Im internationalen Raum sprach und spricht man immer von "Parable".
Die Übergänge zwischen den einzelnen Kriterien sind oft fließend (s. o.) und selbst Theologen sind untereinander
bei der Bestimmung der Gleichnisse nach den Kriterien uneins. Aufgrund der Überlieferung vom mündlichen ins
schriftliche können kleinere Vermischungen zwischen den Kriterien entstanden sein. Dennoch sollte über den Sinn
oder Unsinn der bisherigen Einteilung nachgedacht und dafür eher eine Ausarbeitung von neueren Kriterien für die
Gleichnisexegese entwickelt werden (Kurt Erlemann und Ruben Zimmermann). Petr Pokorný und Ulrich Heckel fassen die
heutige Auffassung in ihrer Einleitung zum NT zusammen:
"Es ist gut, diese Kriterien zu kennen, weil sie in der Forschung einen Großteil der Diskussion bestimmen.
In der gegenwärtigen literarischen Analyse werden solche Unterscheidungen aber für weniger bedeutend gehalten,
weil die Übergänge fließend sind und der Sprachgewinn stets durch eine bildhafte Ausdrucksweise geschieht."
[Wikipedia]
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